Mit Urteil vom 6.4.2022 (7 U 2746/20) hat das OLG München zu den Voraussetzungen einer fristlosen (außerordentlichen) Kündigung eines Handelsvertretervertrages Stellung genommen.

Ein wichtiger Grund, der zur außerordentlichen Kündigung berechtige, liege vor, wenn dem Kündigungswilligen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen nicht zugemutet werden kann. Zur Begründung einer außerordentlichen Kündigung könnten aber nicht mehr Gründe angeführt werden, die bereits Gegenstand einer Abmahnung gewesen und damit verbraucht sind.

OLG München ließ es zur Begründung der außerordentlichen Kündigung auch nicht ausreichen, dass der Handelsvertreter gegenüber dem Vertriebsleiter vorgebracht habe, dessen Tätigkeit sei überflüssig. Diese Äußerung käme als wichtiger Grund nur in Betracht, wenn darin eine widerrechtliche Drohung oder Beleidigung zu sehen wäre. Beides sei aber nicht anzunehmen. Es habe sich lediglich um eine zulässige Meinungsäußerung des Handelsvertreters gehandelt.

Auch die vom Unternehmer behauptete Einbehaltung von Geldern durch den Handelsvertreter könne nicht eine außerordentliche Kündigung begründen. Denn der Unternehmer habe dem Vortrag des Handelsvertreters nicht widersprochen, dass dieser entsprechend der bisher geübten Praxis der Parteien berechtigt gewesen sei, von den einkassierten Rechnungen seine Provision direkt einzubehalten.

Das OLG München sah aber eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Handelsvertreters darin, dass dieser bei einem Kundenbesuch entgegen der Mitteilung des Vertriebsleiters die Lieferfähigkeit seines Unternehmers in Frage gestellt hatte. Dies habe seiner Pflicht widersprochen, sich um die Vermittlung neuer Geschäfte zu bemühen. Dies Pflichtverletzung reichte dem OLG dennoch nicht aus, um die außerordentliche Kündigung durch den Unternehmer als rechtmäßig anzusehen. Vielmehr sei – so das OLG München – bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Handelsvertretervertrag auch ohne fristlose Kündigung nur noch eine sehr kurze Zeit gelaufen wäre. Dann sei es dem Unternehmer zumutbar gewesen, diese kurze Zeit noch abzuwarten. Auch wenn die außerordentliche Kündigung keinen Bestand hatte, kann die Pflichtverletzung bei der Feststellung eines Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nach § 89b HGB mindernd zu berücksichtigen sein. Denn bei der Bemessung des Ausgleichs ist u.a. zu prüfen, ob seine Zahlung der Billigkeit entspricht.