Neues Kaufrecht seit dem 01.01.2022
Aufgrund der Warenkaufrichtlinie der EU ändern sich wesentliche Teile des deutschen Kaufrechts. Mit den Änderungen soll das Kaufrecht in der EU harmonisiert und vor allem bei Produkten mit digitalen Funktionen der Verbraucherschutz deutlich verbessert werden. Die Änderungen, die grundsätzlich für alle Verträge eingreifen, welche seit dem 01.01.2022 geschlossen werden, gelten vorwiegend für Verträge mit Verbrauchern. Sie bringen aber auch wichtige Änderungen für B2B-Geschäfte. Leider bringt das neue Recht auch einige bisher ungeklärte Rechtsprobleme mit sich.
Gewährleistung
Eine grundsätzliche Änderung erfährt das Gewährleistungsrecht. Eine Sache ist nach dem neuen Recht nur noch dann frei von Mängeln, wenn sie sowohl den subjektiven (vereinbarte Beschaffenheit) als auch den objektiven Anforderungen (Branchenüblichkeit und Kundenerwartung) entspricht. Die Kundenerwartung wird sich vorwiegend an der Art der Sache, den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers in der Werbung oder auf der Ware orientieren. Damit entsteht für die Verkäufer eine Pflicht, ihre Waren laufend dahingehend zu überprüfen, ob diese noch den objektiven Anforderungen entsprechen.
Zudem muss die Sache einer vom Verkäufer vor Vertragsabschluss zur Verfügung gestellten Probe entsprechen und muss verpackt einschließlich des zu erwartenden Zubehörs und Anleitung dem Käufer ausgehändigt werden. Ferner stellt das Gesetz Anforderungen an die Montage bzw. die Installierbarkeit bei Waren mit digitalen Inhalten.
Von diesen Anforderungen kann im B2B-Bereich weiterhin abgewichen werden, so dass Vereinbarungen über die genauen Eigenschaften der Ware noch wichtiger werden. Gegenüber Verbrauchern sind negative Beschaffenheitsvereinbarungen, wonach die Ware nicht den objektiven Anforderungen entspricht aber nach § 476 BGB (neu) nur noch sehr eingeschränkt möglich. So muss der Verkäufer, wenn er beispielsweise „B-Ware“ anbietet, den Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrages eigens davon in Kenntnis setzen, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht und diese Abweichung mit dem Verbraucher ausdrücklich und gesondert vereinbaren.
Digitale Produkte
Von besonderer Relevanz im neuen Kaufrecht ist zudem die Einführung eines Vertragstyps „digitale Produkte“ in den §§ 327 – 327u BGB (neu). Im Verbrauchergüterkaufrecht werden ab dem neuen Jahr digitale Produkte von Waren mit digitalen Produkten und (sonstige) Waren unterschieden.
Digitale Produkte sind digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen. Unter digitalen Inhalten versteht der Gesetzgeber in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten, z.B. Computerprogramme einschließlich Apps, Video- und Audiodateien, digitale Spiele und etwa digitale Bücher. Unter digitale Dienstleistungen fallen insbesondere die Fernnutzung von Software, Datenbanken, Video- und Audioinhalte sowie die Textverarbeitung oder Spiele, die in einer Cloud-Computing-Umgebung angeboten werden. Daneben gehören zu den digitalen Dienstleistungen Social-Media-Dienste, Verkaufs-, Buchungs-, Vergleichs- oder Bewertungsplattformen.
Waren mit digitalen Inhalten sind bewegliche Sachen, die digitale Produkte in einer Weise mitenthalten, dass die Sache ihre Funktion ohne die digitalen Produkte nicht erfüllen kann (z.B. Handys, Smartwatches, WLAN-Router).
Für digitale Inhalte und Dienstleistungen greift künftig gegenüber Verbrauchern ein erweiterter Sachmangelbegriff ein, wonach den Verkäufer zusätzlich eine Aktualisierungspflicht trifft. Damit können Gewährleistungsansprüche selbst dann noch entstehen, wenn ein digitales Produkt zwar bei Gefahrübergang frei von Mängeln war, aber nicht ausreichend aktualisiert worden ist. Die Aktualisierungspflicht beinhaltet die Verpflichtung des Verkäufers, den Verbraucher für den Zeitraum der üblichen Nutzung über Aktualisierungen zu informieren und diese bereitzustellen.
Die Dauer der üblichen Nutzung ist gesetzlich nicht festgelegt und kann unterschiedlich beurteilt werden (z.B. übliche Verwendungsdauer). Zum Umfang der Aktualisierungspflicht zählen zumindest funktionserhaltende Aktualisierungen und Sicherheitsupdates.
Da die Aktualisierungspflicht gesetzlich nur für den B2C-Bereich, nicht aber für den B2B-Bereich festgeschrieben ist, empfiehlt es sich, dass der gewerbliche Käufer diese vertraglich an seinen Vorlieferanten weiterreicht.
Verjährung von Gewährleistungsrechten
Nach § 475e BGB (neu) verjähren Gewährleistungsansprüche im Fall der dauerhaften Bereitstellung digitaler Produkte nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraumes und Ansprüche wegen der Verletzung der Aktualisierungspflicht nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht. Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem erstmaligen Auftreten des Mangels ein. Darüber hinaus sieht das Gesetz künftig eine Ablaufhemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft. In diesem Fall tritt die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen in Bezug auf den geltend gemachten Mangel erst nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.
Verlängerung Beweislastumkehr
Das neue Kaufrecht verdoppelt zudem den Zeitraum für die Vermutung, dass der Mangel schon bei Gefahrübergang vorhanden war, von sechs Monaten auf zwölf Monate. Damit muss der Verkäufer künftig zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass diese mangelfrei war.
Praxisumsetzung
Die Handelsunternehmen sollten ihre Vereinbarungen zu Vorlieferanten dahingehend überprüfen, ob sie die erweiterten Pflichten, die sie gegenüber ihren Kunden treffen, auch an die Vorlieferanten weiterreichen können. Zudem sollten Allgemeine Geschäftsbedingungen, Produktangebote, ggfs. auch Werbungen und Produktetikettierungen, dem neuen Kaufrecht angepasst werden.