Der EuGH hat mit Urteil vom 13.12.2022 (C-64/21) entschieden, dass in einem Handelsvertretervertrag eine Regelung zulässig ist, wonach Folgeprovisionen ausgeschlossen werden. Der Anspruch auf Folgeprovisionen ist im deutschen Recht in § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB geregelt, der auf Art. 7 Abs. 1 der europäischen Handelsvertreterrichtlinie beruht. Danach hat ein Handelsvertreter auch dann Anspruch auf eine Provision, wenn er zwar das Geschäft mit dem Kunden nicht vermittelt hat, er aber vorher den Kunden für ein Geschäft der gleichen Art geworben hatte.

In einem Handelsvertretervertrag, der zwischen einem polnischen Handelsvertreter und einer Bank abgeschlossen worden war, hatten die Parteien die Art der Vergütung des Handelsvertreters festgelegt und deren Berechnung insbesondere von der Zahl der abgeschlossenen Verträge abhängig gemacht. In den meisten Fällen handelte es sich um einen bestimmten Betrag je ausgestellter Kreditkarte oder je bewilligtem Darlehensantrag. In dem Handelsvertretervertrag war keine andere Form der Provisionsvergütung festgelegt als ein Provisionsanspruch für Verträge, die unter direkter Beteiligung des Handelsvertreters geschlossen wurden.

Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages vertrat der Handelsvertreter die Ansicht, dass die Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Handelsvertreterrichtlinie zwingend sei, so dass die Regelung in seinem Handelsvertretervertrag, wonach ihm nur für vermittelte Verträge eine Provision zustehen sollte, unwirksam sei. Ihm stehe auch eine Provision (Folgeprovision) für Geschäfte zu, die die Bank ohne seine Mitwirkung mit Kunden abgeschlossen hatte, die er früher einmal für die Bank neu geworben hatte.

Die polnischen Gerichte hatten in den Vorinstanzen die Klage des Handelsvertreters abgewiesen. Das oberste Gericht in Polen legte die Rechtsfrage, ob Art. 7 Abs. 1 der Handelsvertreterrichtlinie abdingbar sei, dem EuGH zur Entscheidung vor.

Der EuGH bestätigte die polnischen Instanzengerichte. Art. 7 Abs. 1 der Handelsvertreterrichtlinie sei nicht zwingend ausgestaltet. Vielmehr sei er dispositiv, so dass die Parteien eines Handelsvertretervertrages berechtigt seien, den Folgeprovisionsanspruch auszuschließen. Die Handelsvertreterrichtlinie weise bei jeder Vorschrift gesondert darauf hin, wenn diese zwingend zu verstehen sei. Ein solcher Hinweis fehle bei Art. 7 Abs. 1 HGB. Zudem zeige die Entstehungsgeschichte der Handelsvertreterrichtlinie, dass Art. 7 Abs. 1 dispositiv sein sollte. Die Europäische Kommission habe ursprünglich vorgeschlagen, diejenigen Bestimmungen, von denen die Parteien nicht abweichen könnten, in ein und demselben Artikel, nämlich in Art. 35 dieses Vorschlags, aufzuführen. Während die Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie entsprechende Bestimmung in dieser Auflistung enthalten war, wurde sie im weiteren Verlauf aus ihr wieder entfernt.

Da die deutsche Vorschrift in § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB über die Folgeprovision Art. 7 Abs. 1 der Handelsvertreterrichtlinie entspricht, kann mithin auch nach deutschem Recht die Folgeprovision des Handelsvertreters vertraglich ausgeschlossen werden.